Morgens um 8. 

Ich hab heute frei und beschlossen, dass ich an diesem wunderschönen, vogelzwitschernden, grillenzirpenden Juni-Morgen das beste Real-Life-Video aller Zeiten kreieren werde- schließlich bin ich Künstler und muss mich vermarkten. 

Ich will ja irgendwann mal nicht mehr im Supermarkt arbeiten müssen, um meine Brötchen zu verdienen. 

Also flugs raus aus den Federn und rein in mein Lieblings-T-Shirt-Kleid, die Haare kunstvoll im Out-of-Bed-Look hochgewurschtelt -ich bin nämlich total lässig und mach das jeden Tag und ganz nebenbei. 

Ähm ja. 

Den Handy-Halter flugs abgemacht samt Handy, auf die Gartenliege montiert und alles in Position gebracht. 

Bestens. 

Jetzt hol ich nur noch schnell meine bereits aufgebrühte, allmorgendliche Tasse Jasmin-Grüntee, mit der ich dann- wie ich es (fast) jeden Morgen tatsächlich mache- gemütlich durch den Garten schlendere. 

Handy an und… scheisse! 

Handy ist aus und Akku leer. 

Wie kann das sein?? 

Gestern Abend war es noch aufgeladen, wirklich! 

Das ist jetzt echt blöd- wie und wo soll ich das sperrige IPad aufstellen??

Seufz. 

Ich rase die Treppe hoch und hole das IPad, sehnsüchtig in Richtung Küche schielend, wo der dampfende Tee wartet. 

Wohin bloß ??

Auf den Sonnenschutz der Gartenliege oben drauf! 

Der zwar reichlich wacklig ist, aber was anderes ist nicht zur Hand. 

Winkel stimmt natürlich gar nicht- aber: die Plastikschaufel, die ich gestern aus den Brombeeren gefischt hab, müsste perfekt geeignet sein zum unterlegen. 

Gesagt, getan. 

Dummerweise ragt der Stiel der Riesen-Schaufel ins Bild, weil ich nur die Spitze unterlege. 

Egal- das kann man rausschneiden. 

Bin ja Profi mittlerweile. 

Nach schier endlosem Gepfriemel ist der Ausschnitt endlich gerade und das IPad einigermaßen stabil. 

Zufrieden betrachte ich mein Werk- ja, damit kann man arbeiten. 

Endlich: der Tee. 

Der ist sicher schon nur lauwarm. 

Was soll’s. 

Während ich frohgemut zur Terrassentür eile, sehe ich, wie sich der Sonnenschutz erst langsam wie in Zeitlupe, dann mit zunehmender Geschwindigkeit gen Boden neigt und schließlich die Schaufel samt IPad ins Gras plumpst. 

&%€§“(&?!

Kleine Schweißflecken bilden sich unter meinen Armen und verzieren den ockerfarbenen T-Shirt-Stoff. 

OK!

Manchmal geht’s eben nicht auf Anhieb so, wie man will. 

Dann eben nochmal das Ganze. 

Kalter Tee ist auch gar nicht schlimm, es ist ja eh Sommer und jetzt schon heiß. 

Wie man inzwischen leider deutlich sehen kann. 

Nochmal 5 Minuten pfriemeln, fertig. 

Ich auch. 

Aber JETZT werd ich TOTAL entspannt meinen kalten Tee schlürfen, ich sag’s euch! 

Und dabei das beste Video aller Zeiten aufnehmen. 

Die Leute werden sich noch wundern!

Den Sonnenschutz hab ich genialerweise mit einem langen dünnen Stock abgestützt, clever, oder?!

Jetzt kommt endlich der angenehme Teil! 

Ich schalte auf „Aufnahme“ und schlendere tatsächlich halbwegs entspannt den Weg entlang- und der Tee ist sogar noch lauwarm. 

Meine Hauslatschen hab ich wohlweislich ausgezogen, die sind zu unstylish. 

Und die neuen Birkis sollen nicht gleich nass werden- außerdem ist barfuß eh viel authentischer.

Dummerweise hab ich keine Brille an, weil das auch zu unstylish ist. 

Und seh darum die äußerst stylishe, dicke Distel nicht, die mitten im Weg prangt. 

§€%E“)(?/&%E§“!!!!!!

Das muss ein Portaltag sein. 

Oder eine Verschwörung. 

Oder beides. 

Während ich fluchend und jaulend die Mini-Spreißel aus meinem Fuß ziehe- der Tee ist samt Tasse in den Brombeeren gelandet- kommt der Kater ums Eck gelatscht. 

Mit einem verpennten, selig dümmlichen Ausdruck im Gesicht- es ist SOMMER und WARM, der Bauch ist voll und man kann überall einfach ungestört faulenzen- betrachtet er interessiert die Sonnenliege, überlegt offenbar, ob er sich’s darauf gemütlich machen soll oder lieber nachsehen, warum Frauchen zeternd im Gras hockt. 

Während er noch unschlüssig ist, macht er das, was Katzen meistens tun, wenn sie unschlüssig sind: 

er streicht schmusig um die Liege herum und drückt sich hierhin und dorthin. 

Natürlich muss auch der stützende Stock abgeschmust werden, der daraufhin umkippt, der Sonnenschutz ebenso, das IPad genauso und die Schaufel hinterdrein.  

Der Kater indes beschließt, dass es auf der Sonnenliege vermutlich angenehmer sei als beim hysterisch lachenden Dosenöffner und legt sich wohlig auf selbiger nieder. 

Und ich, ich muss es jetzt einfach rauslassen: 

ICH BIN KÜNSTLER, VERDAMMT NOCHMAL! 

KEIN INFLUENZA!!

ICH WILL DOCH NUR MAHAAAALEEEEEN- und ab und an ein Bild verkaufen.

Oder vielleicht auch öfter. 

Aber DAS HIER- DAS MACH ICH NICHT MIT! 

NÖ. 

OHNE MICH. 

Dann eben doch eine Karriere im Supermarkt. 

Und jetzt mach ich mir erstmal nen schönen Tee.

P.S. : das ist das einzig annehmbare Bild des ganzen Desasters. Heureka.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert