Ich bin schon lange bei Facebook. Irgendwann kam zu der Möglichkeit, online die meisten Freunde und Verwandten an unserer jeweiligen (Lebens-)Reise teilhaben zu lassen, ohne jeden einzeln auf dem laufenden zu halten, eine Art Blog hinzu, indem ich Texte veröffentlichte, die der weisere Teil in mir an jenen weitergab, der immer wieder mal mit dem Leben hadert.
Diese Art Text schreibe ich schon lange, ich begann ungefähr mit 16 damit.
Damals war es noch Gott oder das höhere Selbst, das Andrea die Leviten las und den Kurs in weniger destruktive und unglückliche Gefilde lenkte, in die ich mich durch meine Geburt selbst manövriert hatte.
Ich war damals gefühlt so klein und winzig, dass ich diese weise und endlos gütige Stimme, die mir Leben erklärte, mir den Weg wies und mir ziemlich oft den Kopf zurechtrückte, wenn ich mich einmal mehr in Opfer-Szenarien zu verlieren drohte, als etwas außerhalb von mir wahrnahm.
Heute ist das anders.
Sehr viel anders.

Heute bin ich groß genug, dass ich ungeniert auch meine Kleinheit mit euch teilen kann, euch teilhaben lassen kann, an dem, was gerade ist, ganz gleich, ob es sich gerade „gut“ oder „schlecht“ anfühlt- es ist mir tatsächlich gleich gültig.
Es gibt Themen, die habe ich noch nicht gemeistert und es gibt noch immer Umstände und Situationen, die mich beunruhigen.
Und es gibt Tage, an denen alles einfach doof ist und manchmal sogar richtig scheiße.
Aber der Unterschied zu früher ist- alles das ist vollkommen in Ordnung.
Ja, mehr als das: es ist HEIL-ig.
Leben ist mir heilig, ganz egal, wie es sich gerade offenbart.
Und ich bin heil und ganz, auch wenn ich mich gerade wie ein Scherbenhaufen fühle.
Denn immer, ja wirklich immer, ist da jener Ort in mir, wo Frieden IST.
Den nichts und niemand jemals antasten kann und der für immer und ewig unversehrt sein wird- und nicht nur jenen versehrten Teil in mir halten kann, sondern das gesamte Universum.
Er IST das Universum, das Leben selbst.
Und stets aufs neue offenbart sich mir die Heiligkeit dieses Lebens in endlos kostbaren Momenten, die dieses Leben so endlos lebens-und liebenswert machen.
Wunder.
Überall.

Ein altes, spanisches Großmütterchen war auf dem Weg nach Hause, sie kam offensichtlich vom einkaufen.
Sie war sehr alt, ging gebeugt an einem Stock und die Einkaufstüten baumelten rechts und links von ihr. In einer war eine anderthalb Liter Wasserflasche und sie trug schwer daran.
Es war eine nahezu unbewohnte Gegend, zwischen dem Einkaufs-Laden und einer kleinen Wohnsiedlung.
Ich war dorthin gefahren, weil ich den Spielplatz, der dort lag und der lediglich aus einer Rutsche und einer Schaukel im Niemandsland bestand, von der größeren Straße nahebei gesehen hatte und sich dort eine Wasserpumpe befand- und wir brauchten gerade Wasser.
Ich hielt also neben dem Spielplatz, bat Lean die Flaschen aufzufüllen und währenddessen kam besagtes Mütterchen vorbei.
Gerade als ich im Begriff war, auszusteigen, stolperte sie über eine der vielen unebenen Steinplatten, aus denen der Gehweg bestand.
Sie fiel der Länge nach hin.
Ich eilte zu ihr, etwas geschockt, denn der Anblick spülte den tiefen Schmerz hervor, den ich verspürt hatte, als ich meinen stets so starken Koloss von einem Vater gebrechlich und schwach auf dem Boden hatte liegen sehen, nachdem er mehrmals vor Schwäche umgekippt war, in seiner letzten Lebenswoche.
Die Wasserflasche und der Inhalt der Tüten hatte sich um sie verteilt und sie kam nicht mehr auf die Füße.
Und in dem Moment war da nur Liebe.
Soviel Liebe.
Unendlich behutsam nahm ich sie beim Arm, rief Lean zuhilfe, und gemeinsam richteten wir sie ganz langsam auf.
Blut tropfte ihr von der Nase und sie reichte mir mit zitternden Fingern ein Taschentuch.
Ich zog ihr sanft die Maske vom Gesicht und tupfte mit unendlicher Zärtlichkeit das Blut von ihrem Nasenrücken.
Lean sammelte ihre Sachen ein, ich ordnete alles- die Flasche ganz unten, das Obst obenauf- und ich hakte sie unter und gemeinsam gingen wir ganz langsam, Schritt für Schritt.
Lean trug ihre Tüten, bis sie auf halbem Weg- sie bedeutete mir, dass sie in jener kleinen Wohnsiedlung lebte- beteuerte, sie würde den Rest alleine schaffen.
Sie fühle sich offenbar etwas unwohl, weil wir keine Masken trugen und kein spanisch sprachen.
Und trotzdem drückte sie mir die Hand zum Zeichen der Dankbarkeit.
Dann ging sie davon und wir füllten die Flaschen auf.
Als ich ihr kurz danach mit dem Bus hinterherfuhr, um sicherzugehen, dass sie gut angekommen war, stand sie schon vor der Haustüre.
Wir winkten ihr zum Abschied- Adios und infinitas gracias für soviel gelebte Liebe.
Sie war in dem Moment mein Vater gewesen, dem ich auf diese Weise noch einmal all meine Liebe bezeugen durfte.
Und es war Gott, der Gott die Hand reichte.
Und das alles, weil wir an einem Spielplatz im Nirgendwo Halt machten, um unsere Wasserflaschen aufzufüllen.

Wir sind so geliebt und geführt, vom Leben selbst, das wir selbst sind.
Aber meistens brauchen wir ein halbes Leben dafür- und manchmal ein ganzes-, zu lernen, uns zurückzulehnen, die Führung und Kontrolle, die wir sowieso nie hatten, abzugeben und das Leben endlich machen zu lassen, was es SOVIEL besser kann, als wir:
Fließen.
Mühelos, unaufhaltsam und unaufhörlich.
Von einem murmelnden Bächlein werden wir zum einem gemächlich dahinfließenden Fluß.
Einige werden zu einem mitunter reißenden Strom, doch alle münden wir schlußendlich ins geheimnisvolle, tiefe Meer.
Wir können es nicht verfehlen- niemals.
Genausowenig wie wir uns je verfehlen können.
Würden wir uns nicht so sehr mit jenem versehrten Teil in uns identifizieren und ihn ständig verurteilen, bekämpfen und verändern wollen – so oft unter dem Deckmantel von „Heilung“, „Transformation“, „Schattenarbeit“ oder ähnlichem Brimborium- wieviel leichter könnten wir die Wasser des Lebens einfach fließen lassen.
Andauernd wollen wir verbessern, verändern, optimieren.
Auch aus Angst vor den Reaktionen anderer, die sich auf den Schlips getreten fühlen werden, wenn wir uns die Erlaubnis erteilen, einfach zu sein, wer wir sind.
Uns zeigen, mit unserer Angst, unserem Hass, unserer Verzweiflung.
Wenn wir so sind, läuft offensichtlich etwas falsch und es gilt, schnellstmöglich den Fehler zu finden und ihn zu beheben.
Aber du bist kein Fehler, den es zu beheben gilt, warst es nie und wirst es nie sein.
Du bist genau so gedacht.
Und Gott sah, dass es gut war.


Innenseiter 💗

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